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Bald auch in 3D: Die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs

13.06.2019 | 6 min Lesedauer | Written by Johannes Heinrich

Die Architektur der Zukunft

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Böse Zungen behaupten, dass die durchschnittliche EU-Legehenne im Verhältnis zu ihrer Körpergröße mehr Platz in ihrem Käfig hat, als morgendliche Berufspendler in so mancher U-Bahn. Derartige Kritik ist nachvollziehbar – doch trotz etwaiger Unannehmlichkeiten ist der öffentliche Personennahverkehr für das Funktionieren der modernen Gesellschaften unverzichtbar. Doch Besserung ist in Sicht. Mit neuen Technologien kommen Sie in Zukunft schneller und ressourcensparender ans Ziel.

Luftbild von Stadt bei Nacht

Massen in Bewegung

Der öffentliche Personennahverkehr ist ein Produkt der Urbanisierung und Industrialisierung. Als Maschinen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Landwirtschaft die Muskelkraft der Menschen ersetzten, zogen immer mehr Arbeiter in die Städte, wo sich Fabriken befanden. In Folge stiegen die Einwohnerzahlen der Metropolen Europas und Nordamerikas rasant an. So zählte Berlin im Jahr 1850 rund 500.000 Einwohner. Bis 1900 vervierfachte sich diese Zahl auf mehr als zwei Millionen.

Das Bevölkerungswachstum brachte verschiedene Herausforderungen für die Stadtplanung mit sich, die alle Hände voll damit zu tun hatte, die Grundbedürfnisse der Bewohner sicherzustellen. Die Organisation des Transports von Personen wurde dabei zu einem Hauptanliegen. Denn sei es, um zum Arbeitsplatz zu gelangen, um einzukaufen, oder zur Pflege sozialer Kontakte – die Bewohner der wachsenden Metropolen waren zunehmend auf Strukturen angewiesen, die eine zeitnahe und verlässliche Beförderung großer Menschenmengen von A nach B ermöglichten.

The American Way of Drive

Entsprechend schnell entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts in urbanen Räumen Netzwerke für den öffentlichen Personennahverkehr. Züge, Busse, Fähren und U-Bahnen beschleunigten den Transport von Menschen und Waren erheblich und trugen somit zum wachsenden Wohlstand bei. Bis in die 1950er Jahre waren öffentliche Verkehrsmittel in den Städten der westlichen Industrienationen sehr dominant vertreten. Ihre Nutzung sank jedoch innerhalb weniger Jahre rapide, da die Massenproduktion von Fahrzeugen für den Privatgebrauch diese immer erschwinglicher machte.

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Insbesondere in den USA mit ihren weitläufigen urbanen und suburbanen Räumen waren Fahrzeughersteller und Ölkonzerne sehr erfolgreich darin, das private Kraftfahrzeug als Fortbewegungsmittel der Zukunft darzustellen. Das eigene Auto galt als Inbegriff des Wohlstands und der persönlichen Freiheit. Darüber hinaus kauften die Autobauer auch private Anbieter des städtischen Massentransports auf, um sie in Folge außer Dienst zu stellen. Mit dem Ergebnis, dass in den USA Straßenbahn-Betreiber aus den meisten Städten verschwanden. Der Siegeszug des Autos wurde erst ab den 1970ern durch steigende Ölpreise und das aufkommende Umweltbewusstsein verlangsamt. Dennoch bleibt der PKW für viele nach wie vor unverzichtbar.

Blick auf Stau von oben

Verstopfte Straßen

Zurzeit gibt es rund um den Globus etwas mehr als eine Milliarde PKW. In den kommenden Jahrzehnten wird diese Zahl voraussichtlich auf das Zwei- bis Dreifache ansteigen. Gründe dafür sind der steigende Wohlstand in aufstrebenden Schwellenländern sowie die fortschreitende Urbanisierung. 2050 werden rund 70% der Menschen in Städten leben. Die dadurch entstehenden Probleme liegen auf der Hand: Mehr Individualverkehr bedeutet mehr Stau und Stress, höhere Schadstoff-Emissionen und einen steigenden Treibstoffverbrauch. Abgesehen davon, dass die Umwelt leidet, sorgt der Zuwachs an Fahrzeugen auch zunehmend für Platzprobleme. Besonders in urbanen Regionen ist kaum noch Raum für zusätzliche Straßen und Parkplätze vorhanden. Hinzu kommt: Wenn immer mehr Flächen unter Beton und Asphalt verschwinden, leidet das Stadtbild ebenso, wie das Stadtklima.

Das bedeutet, dass in Zukunft mehr Menschen vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigen müssen. Studien sind sich uneinig darüber, wie sich ein umfassender Wechsel zu den „Öffis“ konkret auf die geschilderten Probleme in Städten auswirken wird. Übereinkunft besteht jedoch darin, dass eine verstärkte Nutzung von Bus und Bahn in vielen Fällen von Vorteil sein wird – sofern der öffentliche Personentransport nachhaltig erfolgt.

Nachhaltig sein ist nicht einfach

Der öffentliche Personennahverkehr der Zukunft soll drei Aspekte vereinen: Eine Reduktion der Umweltbelastung bei gleichzeitiger Berücksichtigung sozialer Faktoren und ökonomischer Rentabilität. Er soll unter anderem:

  • Emissionen zurückschrauben
  • weniger Lärmbelastung verursachen
  • den Landverbrauch minimieren
  • die Mobilitäts-Bedürfnisse aller Personen in einer Stadt erfüllen, unabhängig von Wohnort, Alter oder sozialem Hintergrund
  • eine hohe Verfügbarkeit aufweisen – also dann Kapazitäten zur Verfügung stellen, wenn sie benötigt werden
  • ein vielfältiges Angebot aufweisen, das an die jeweiligen Voraussetzungen und Erfordernisse angepasst ist
  • eine effiziente Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen ermöglichen
  • eine günstige Alternative zum Individualverkehr bilden

 

Das sind viele Anforderungen, deren Erfüllung für die Betreiber eine große Herausforderung darstellt. Ein Beispiel ist die estnische Hauptstadt Tallinn. Die Stadt machte die Nutzung der öffentlichen Transportmittel kostenlos, um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen. Entgegen den Erwartungen nahm die Nutzung von Privatfahrzeugen jedoch kaum ab. Zwar stieg die Anzahl der Fahrten mit Bus, Straßenbahn & Co., doch die Zahl längerer Fahrten mit dem Auto nahm zu.

Urbane Seilbahn in La Paz, Bolivien

Lieber Seilbahn, Flugtaxi oder autonomer Modul-Bus?

Jede Stadt ist anders und damit auch das Anforderungs- und Nutzungsprofil ihrer öffentlichen Verkehrsmittel. Bislang spielte sich ein Großteil des Transports auf dem Erdboden, beziehungsweise knapp darunter ab. Im Großraum von Shanghai leben rund 26 Millionen Einwohner, die 2018 mehr als dreieinhalb Milliarden Fahrten mit der städtischen U-Bahn unternahmen. Trotzdem ächzen die Straßen weiterhin unter dem enormen Verkehrsaufkommen. Kreative Lösungen versuchen neue Räume für den Verkehr zu erschließen. Anti-Stau-Busse gleiten auf Stelzen über den zähflüssigen Verkehr hinweg. Im kolumbianischen Medellín und in La Paz in Bolivien geht man noch weiter in die Höhe. Hier haben urbane Seilbahnen den öffentlichen Personennahverkehr revolutioniert. Die topographische Situation vor Ort lässt keine Bahnstrecken und nur gewundene Straßen zu, auf denen Busse im Stau stecken bleiben. Mit der Seilbahn entschweben die Bewohner dem Verkehrschaos am Boden.

Unternehmen wie Airbus oder Boeing arbeitet wiederum an Flugtaxis, die Personen in Städten schnell an ihr Ziel bringen sollen. Zwar werden noch einige Jahre bis zur Marktreife vergehen, mit dem verstärkten Aufkommen von Transportdrohnen scheint die Verlagerung eines Teils des Personenverkehrs in die Luft aber nur mehr eine Frage der Zeit. Ob diese Alternative in Zukunft jedoch primär von privaten Anbietern oder auch von öffentlicher Seite zur Verfügung gestellt wird, ist noch nicht absehbar.

Auch auf den Straßen entwickelt sich der öffentliche Verkehr weiter. Weltweit arbeiten Unternehmen an selbstfahrenden Fahrzeugen. Bis zur vollen Autonomie wird es noch etwas dauern, aber in rund 10 Jahren sollen computergesteuerte Autos und Busse Nutzer selbstständig an ihr Ziel bringen. Lautlos, elektrisch und damit emissionsarm, nutzen sie die verfügbaren Kapazitäten optimal aus und sind ohne Pause mit Fahrgästen von A nach B unterwegs. Sie parken außerhalb der Stadt und schaffen so mehr Platz für Parks oder Wohnraum. Aufteilbar in selbstständig agierende Module, lassen sie sich per App herbeirufen und sammeln Nutzer an jedem Ort in der Stadt auf. Erreichen sie eine der Hauptstrecken, schließen sie sich zu größeren Fahrzeugen zusammen und sparen so Platz und Energie – so lauten zumindest die Versprechungen der Hersteller.

Eine Frage der Finanzierung

Unabhängig vom Fuhrpark stellt sich für die Betreiber jedoch stets die Kostenfrage. In Deutschland erfolgt die Finanzierung öffentlicher Verkehrsnetze zum Einen durch die Nutzer. Für den Rest kommen Bund, Länder und Kommunen auf. Jedoch steigt der Aufwand für die Erhaltung. Ebenso stellt sich vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen in manchen Landesteilen die Frage nach der Rentabilität. Schrumpft und altert die Bevölkerung, nehmen Autos auf den Straßen zu. In den boomenden Ballungszentren muss hingegen immer mehr in die Wartung der Infrastruktur investiert werden. Auch hier wird in Zukunft Kreativität gefragt sein. Die Stadt Wien zeigt einen Lösungsansatz vor: In Österreichs Hauptstadt müssen Unternehmen pro Mitarbeiter wöchentlich eine Sondersteuer bezahlen, deren Erlöse ausschließlich dem Erhalt der öffentlichen Verkehrsnetze zugutekommen.

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